Die in der Bundesrechtsanwaltskammer zusammengeschlossenen Rechtsanwaltskammern haben in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer am 09.10.2009 nachstehende Satzung für die gemäß § 191f BRAO einzurichtende Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft beschlossen und zuletzt in der Hauptversammlung am 21.09.2024 geändert.
§ 1 Zuständigkeit und Besetzung
1. Die Schlichtungsstelle kann bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus einem bestehenden oder beendeten Mandatsverhältnis angerufen werden, wenn die beauftragte Rechtsanwältin/der beauftragte Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Eingangs des Schlichtungs-antrages einer Rechtsanwaltskammer angehören.
2. Die Schlichtungsstelle besteht aus den Schlichterinnen und Schlichtern und der Geschäftsstelle. Diese unterstützt die Schlichterinnen und Schlichter bei ihrer Tätigkeit.
§ 2 Bestellung und Tätigkeit der Schlichterinnen/Schlichter
1. Die Präsidentin/der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer bestellt die Schlichterinnen/die Schlichter, die allein oder als Kollegialorgan tätig werden. Das Kollegialorgan besteht aus drei Schlichterinnen/Schlichtern. Ihm muss eine Rechts-anwältin/ein Rechtsanwalt angehören. Vorschlagsberechtigt sind die Rechtsanwalts-kammern und der gemäß § 3 dieser Satzung gebildete Beirat.
Zur Schlichterin/zum Schlichter, die/der allein tätig wird, darf nicht bestellt werden, wer Rechtsanwältin/Rechtsanwalt ist oder in den letzten drei Jahren vor Amtsantritt war oder im Haupt- oder Nebenberuf bei der Bundesrechtsanwaltskammer, einer Rechts-anwaltskammer oder einem Verband der Rechtsanwaltschaft tätig ist oder in den letzten drei Jahren vor Amtsantritt tätig war. Ist nur eine Schlichterin/ein Schlichter bestellt, muss eine Vertreterin/ein Vertreter bestellt werden. Für die Vertreterin/den Vertreter gelten dieselben Regelungen wie für die Schlichterin/den Schlichter.
Zum nichtanwaltlichen Mitglied des Kollegialorgans darf nur bestellt werden, wer in den letzten drei Jahren vor Amtsantritt nicht Rechtsanwältin/Rechtsanwalt war und weder im Haupt- noch im Nebenberuf bei der Bundesrechtsanwaltskammer, einer Rechtsanwalts-kammer oder einem Verband der Rechtsanwaltschaft tätig ist oder in den letzten drei Jahren vor Amtsantritt tätig war.
Zum anwaltlichen Mitglied des Kollegialorgans darf nicht bestellt werden, wer dem Vorstand einer Rechtsanwaltskammer oder eines Verbandes der Rechtsanwaltschaft angehört oder im Haupt- oder Nebenberuf bei der Bundesrechtsanwaltskammer, einer Rechtsanwaltskammer oder einem Verband der Rechtsanwaltschaft tätig ist.
2. Vor der Bestellung einer Schlichterin/eines Schlichters ist dem gemäß § 3 gebildeten Beirat Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von 2 Monaten zu geben. Ihm sind der Name und der berufliche Werdegang der als Schlichterin/Schlichter vorgesehenen Person mitzuteilen. Nach erfolgter Anhörung bestellt die Präsidentin/der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer die Schlichterin/ den Schlichter.
3. Jede Schlichterin/jeder Schlichter, die/der allein tätig sein soll, sowie die/der Vorsitzende des Kollegialorgans müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Die Amtszeit beträgt vier Jahre. Eine einmalige Wiederbestellung ist zulässig.
4. Die Schlichterin/der Schlichter ist unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Sie/er kann von der Präsidentin/vom Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer abberufen werden, wenn Tatsachen vorliegen, die eine unabhängige Schlichtertätigkeit nicht mehr erwarten lassen, wenn die Schlichterin/der Schlichter nicht nur vorübergehend an der Wahrnehmung ihres/seines Amtes gehindert ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt.
5. Bei der Bestellung von mehreren Personen zu Schlichterinnen/Schlichtern legen diese die Geschäftsverteilung einschließlich Vertretungsregelung vor jedem Geschäftsjahr fest, und zwar für den Fall, dass die Schlichterin/der Schlichter allein oder als Kollegialorgan entscheiden. Die Regelung in § 5 Nr. 4 Satz 1 bleibt unberührt. Eine Änderung der Geschäftsverteilung ist während des Geschäftsjahres nur aus wichtigem Grund zulässig. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
§ 3 Bestellung und Aufgaben des Beirats
1. Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft erhält einen Beirat, der aus höchstens neun Personen besteht.
2. Dem Beirat gehören an mindestens jeweils eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer, der Rechtsanwaltskammern, der Verbände der Rechts-anwaltschaft, der Verbände der Verbraucher und des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Andere Personen können in den Beirat berufen werden. Höchstens die Hälfte der Mitglieder des Beirates dürfen Rechtsanwältinnen/ Rechtsanwälte sein.
3. Die Mitglieder des Beirates werden vom Präsidium der Bundesrechts-anwaltskammer auf Vorschlag der Bundesrechtsanwaltskammer, der Rechtsanwaltskammern, des Deutschen Anwaltvereins, des Bundesverbandes für Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände und des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ausgewählt und von der Präsidentin/vom Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer ernannt.
Die Amtszeit beträgt vier Jahre. Eine einmalige Wiederbestellung ist zulässig. Der Beirat wählt aus seiner Mitte eine Vorsitzende/einen Vorsitzenden und deren /dessen Vertretung.
Dem Beirat ist vor der Bestellung von Schlichterinnen/Schlichtern, vor Änderung der
Satzung und vor Veröffentlichung des Tätigkeitsberichtes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Übrigen berät er die Schlichterinnen/Schlichter auf deren Anforderung in allen für das Schlichtungsverfahren wesentlichen Fragen. Der Beirat tritt mindestens einmal im Jahr zusammen.
§ 4 Ablehnung des Schlichtungsverfahrens
Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens soll abgelehnt werden, wenn
1. die Streitigkeit nicht in die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle fällt;
2. der streitige Anspruch nicht zuvor gegenüber dem Antragsgegner geltend gemacht worden ist;
3. ein Gericht zu der Streitigkeit bereits eine Sachentscheidung getroffen hat oder die Streitigkeit bereits vor einem Gericht rechtshängig ist und das Verfahren nicht nach § 278a Abs. 2 ZPO ruht;
4. der Antrag offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist oder mutwillig erscheint, insbesondere weil
a) die Streitigkeit bereits beigelegt ist, z. B. durch einen Vergleich oder ein Anerkenntnis;
b) zu der Streitigkeit ein Antrag auf Prozesskostenhilfe abgewiesen wurde, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bot oder mutwillig erschien;
c) der streitige Anspruch bei Antragstellung bereits verjährt war und der Antragsgegner sich auf die Verjährung beruft;
d) von einem an dem Schlichtungsverfahren Beteiligten Strafanzeige im Zusammenhang mit dem der Schlichtung zugrunde liegenden Sachverhalt erstattet wurde;
e) eine berufsrechtliche oder strafrechtliche Überprüfung des beanstandeten Verhaltens bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer oder der Staatsanwaltschaft oder den Anwalts-gerichten anhängig und dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist;
5. eine Verbraucherschlichtungsstelle bereits ein Verfahren zur Beilegung der Streitigkeit durchgeführt hat oder die Streitigkeit bei einer anderen Verbraucherschlichtungsstelle anhängig ist;
6. die Behandlung der Streitigkeit den effektiven Betrieb der Schlichtungsstelle ernsthaft beeinträchtigen würde, insbesondere weil
a) die Schlichtungsstelle den Sachverhalt oder rechtliche Fragen nur mit einem unangemessenen Aufwand klären kann, z. B. durch die Einholung von Gutachten über Rechtsfragen;
b) die Klärung des Sachverhalts eine Beweisaufnahme erfordert, es sei denn, der Beweis kann durch die Vorlage von Urkunden geführt werden;
c) eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist;
7. die Verbraucherin/der Verbraucher sowie der streitige Anspruch oder das Rechtsverhältnis, das den Gegenstand der Streitigkeit bildet, in das Klageregister nach § 609 ZPO zu einer Musterfeststellungsklage eingetragen sind, die noch rechtshängig ist;
8. einer der unter 2. bis 7. aufgeführten Gründe nachträglich eintritt.
§ 5 Verfahren
1. Der Antrag auf Durchführung der Schlichtung ist unter kurzer Schilderung des Sachverhaltes in Textform und Beifügung der für die Prüfung erforderlichen Unterlagen an die Schlichtungsstelle zu richten. Die Antragstellerin/der Antragsteller hat in dem von ihr/ihm gestellten Antrag zu versichern, dass keine Ablehnungsgründe vorliegen.
Treten diese Gründe nach Einleitung des Schlichtungsverfahrens ein, hat sie/er hiervon die Schlichtungsstelle zu unterrichten.
2. Die Schlichtungsstelle prüft die Unterlagen und fordert die Antragstellerin/den Antragsteller gegebenenfalls unter Setzen einer angemessenen Frist auf, den Sachvortrag zu ergänzen und/oder fehlende Unterlagen nachzureichen. Sie ist befugt, die ihr notwendig erscheinenden Auskünfte einzuholen.
3. Macht die Schlichtungsstelle von ihrem Ablehnungsrecht Gebrauch, weist sie den Schlichtungsantrag zurück. Hiervon soll sie die Antragsgegnerin/den Antragsgegner unterrichten.
4. Liegt kein Ablehnungsgrund vor, entscheidet die Schlichterin/der Schlichter, ob sie/er allein oder das etwa eingerichtete Kollegialorgan tätig werden soll. Für das Kollegialorgan gelten die nachfolgenden Vorschriften entsprechend.
5. Die Schlichtungsstelle übermittelt der Antragsgegnerin/dem Antragsgegner den Antrag mit der Aufforderung, innerhalb einer angemessenen Frist hierzu Stellung zu nehmen. Davon wird die Antragstellerin/der Antragsteller unterrichtet.
6. Nach Vorlage der Stellungnahmen beider Beteiligten oder nach Fristablauf kann die Schlichtungsstelle eine ergänzende Stellungnahme der Beteiligten einholen, soweit sie eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für notwendig hält. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt. Die Schlichtungsstelle kann die Beteiligten in jedem Verfahrensstadium in ihr geeignet erscheinender Art und Weise und bei vorliegendem Einverständnis in Textform auch mittels Videokommunikation anhören, wenn sie der Überzeugung ist, dass hierdurch eine Einigung gefördert werden kann.
7. Die Schlichtungsstelle kann sämtliche von ihr gesetzte Fristen als Ausschluss-fristen bestimmen.
§ 6 Schlichtungsvorschlag
1. Die Schlichtungsstelle unterbreitet nach Vorliegen der Stellungnahmen der Beteiligten einen Schlichtungsvorschlag in Textform. Hierzu ist sie in ihr geeignet erscheinenden Fällen auch dann berechtigt, aber nicht verpflichtet, wenn die Antragsgegnerin/der Antragsgegner eine Stellungnahme nicht abgegeben hat.
Der Vorschlag muss zum Inhalt haben, wie der Streit der Beteiligten auf Grund der sich aus dem Sachvortrag und den vorgelegten Unterlagen ergebenden Sach- und Rechtslage angemessen beigelegt werden kann. Er ist kurz und verständlich zu begründen und den Beteiligten in Textform zu übermitteln.
2. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, dass
a) der Schlichtungsvorschlag von dem Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann;
b) sie zur Annahme nicht verpflichtet sind und bei Nichtannahme beiden Beteiligten der Rechtsweg offen steht;
c) der Schlichtungsvorschlag von den Beteiligten durch eine Mitteilung in Textform, die innerhalb einer von der Schlichtungsstelle gesetzten angemessenen Frist bei der Schlichtungsstelle eingegangen sein muss, angenommen werden kann und
d) bei Annahme des Schlichtungsvorschlages von allen Beteiligten, diese vertraglich verpflichtet sind, den Schlichtungsvorschlag zu befolgen.
3. Nach Ablauf der Frist teilt die Schlichtungsstelle den Beteiligten das Ergebnis mit. Mit dieser Mitteilung ist das Schlichtungsverfahren beendet. Kommt es nicht zu einer Einigung, ist die Mitteilung als Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch nach § 15 a) Abs. 3 Satz 3 EGZPO zu bezeichnen. In der Bescheinigung sind die Namen der Beteiligten und der Verfahrensgegenstand anzugeben.
§ 7 Vertraulichkeit
Die Schlichterinnen/Schlichter und die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter der Schlichtungsstelle sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie sind berechtigt, sich bei den in § 4 Ziffern 3 bis 5 aufgeführten Stellen zu vergewissern, ob dort Verfahren anhängig sind. Im Übrigen sind sie nicht befugt, Informationen, von denen sie im Schlichtungsverfahren Kenntnis erhalten, Dritten zu offenbaren. Dies gilt auch für die Zeit nach Beendigung der Tätigkeit bei der Schlichtungsstelle.
§ 8 Jahresbericht
Die Schlichtungsstelle veröffentlicht nach Ende des Geschäftsjahres einen Bericht in Textform über die Tätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahr und die dabei gewonnenen Erfahrungen.
§ 9 Kosten
1. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist kostenfrei. Auslagen werden von der Schlichtungsstelle nicht erstattet. Bei der Schlichtungsstelle eingereichte Kopien werden nicht zurückgesandt.
2. Jede Partei trägt die eigenen Kosten und Auslagen, es sei denn es wird Abweichendes vereinbart.
§ 10 Inkrafttreten
Die Satzung tritt am Ersten des Monats in Kraft, der auf die Veröffentlichung in den BRAK-Mitteilungen folgt. Diese Fassung gilt ab dem 01.01.2025.
Die aktuelle Satzung der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft können Sie hier herunterladen.